Seit rund zwei Jahren stehen zwei Bienenstöcke auf der weitläufigen Grünfläche hinter unserem „Peter-Hansen-Block“ am Kieler Westring. Für Mensch und Natur ein Gewinn: Die fleißigen Insekten produzieren nicht nur Honig, sondern leisten einen wichtigen Beitrag bei der Bestäubung der umliegenden Pflanzen. Ein Bericht von Petra Krause.
Ein nasskalter Freitagabend im Mai. Das perfekte Wetter für den Umzug vom Wiker Balkon in die Langenbeckstraße. Denn alle sind zuhause. So muss Bienenmutter Utha Bonowsky ihre rund 60.000 Schützlinge nicht erst überzeugen, in die zwei Stöcke zurückzukehren, die heute auf der Grünanlage im Bereich Westring/Langenbeckstraße vor den Mietshäusern der Baugenossenschaft Mittelholstein aufgestellt werden sollen.
Das Mietbienenprojekt in Kooperation mit dem Kieler Honig ist für die bgm ein weiterer konsequenter Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und lokaler Kooperation. Nachdem sie bereits als eine der ersten Baugenossenschaften ihre Rasenflächen innerhalb des Bestands in insektenfreundliche Blühwiesen umgewandelt hatte, wollte man noch „grüner“ werden und etwas gegen das Insektensterben unternehmen. Schließlich produzieren Bienen nicht nur Honig, sondern leisten einen entscheidenden Beitrag bei der Bestäubung von Natur- und Wildpflanzen und sind daher für das Fortbestehen der Ökosysteme unverzichtbar. „Mit solchen Projekten wollen wir natürlich unseren Beitrag in Sachen Nachhaltigkeit leisten, auch wenn es in Anbetracht der Situation nur ein kleiner ist“, sagt bgm-Vorstandsmitglied Stefan Binder. Für ihn ist klar: „Keine Bienen, keine Menschen.“
Damit die neuen fliegenden Nachbarn unversehrt an ihrem neuen Standort ankommen, verschließt Utha Bonowsky die Einflugschneisen der Bienenkästen vorsichtig mit Schaumstoff, verzurrt die Kästen fest und verfrachtet sie zusammen mit ihrem freiwilligen Helfer Julian Koch in ihren Kombi. Mit ein paar Ziegeln und einer Holzpalette als Fundament werden die beiden Bienenkästen mit Steinen als Sicherung oben drauf an ihrem neuen bgm-Standort aufgestellt. Zuvor hat die Imkerin noch die Fluglöcher so ausgerichtet, dass die Einflugschneise nicht die Laufwege der dort lebenden Menschen kreuzt. Schließlich sollen die Bienen in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen können. Einmal pro Woche kommt Utha Bonowsky zur Kontrolle. „Ich gucke, wie sich das Volk entwickelt und wie der Honigeintrag ist.“
Nur drei Wochen brauchen die fleißigen, neuen Nachbarn, um den ersten Honigraum mit Frühtracht zu füllen, bis Mitte Juni sind die Bienen dann fertig mit ihrer Arbeit. Die zweite Ernte, die sogenannte Sommertracht, erfolgt Anfang August. Die Frühtracht präsentiert sich meist fein und hell, während die Sommertracht dunkler und würziger ausfällt. Zur genauen Bestimmung hat Imkerin Utha Bonowsky eine Probe ins Institut für Bienenkunde nach Celle geschickt. Das Ergebnis: Der Sommerhonig ist besonders aromenreich, weil er 28 verschiedene Nektarsorten enthält. Geschmacksgebend sind Linde, Edelkastanie sowie Honigtau. Inzwischen sind beide Ernten aus dem Philosophenviertel, von denen jeweils 20 Kilo an die bgm gehen, schon geschleudert, abgefüllt und mit dem Genossenschaftslogo versehen.
Stefan Binder ist mit der Wahl der Imkerin Utha Bonowsky vom Kieler Honig mehr als zufrieden. „Sie hat einen tollen Job gemacht. Wir machen das auf jeden Fall weiter und erweitern das vielleicht auf Büdelsdorf.“ Die Honigdeern, die 2016 den Kieler Honig übernommen und inzwischen als erfolgreiche Marke etabliert hat, freut sich über das wachsende Engagement von Unternehmen wie der bgm. „Nachhaltigkeit geht uns alle an. Honig kann man importieren, Bestäubungsleistung aber nicht.“ Mit den Mietbienen könne man zumindest einen kleinen Beitrag gegen das Bienensterben leisten.
Etwa 900.000 Völker werden von deutschen Imkern gehalten. Um die wilde Verwandtschaft sehe es allerdings weniger gut aus. Rund 300 Wildbienenarten gebe es in Schleswig-Holstein, viele von ihnen seien bedroht, sagt Bonowsky. In Deutschland gelte etwa die Hälfte aller Bienenarten als gefährdet, bei den Insektenarten insgesamt seien es rund 40 Prozent. „Die Bienenhaltung kommt weit über die Honigproduktion hinaus der Natur und der Landwirtschaft zugute“, sagt die Honigdeern, die selbst 29 Völker über das Stadtgebiet verteilt auf Dächern, in Hinterhöfen, Gärten und Parks stehen hat. Mit dem neuen Standort im Philosophenviertel, auch Lage genannt, kommt sie jetzt auf 16 verschiedene Geschmackserlebnisse rund um die Kieler Förde. Ihre Arbeit als Imkerin sieht sie als Beitrag zum Bienenschutz. „Wenn es keine Bienen mehr gibt, gibt es irgendwann auch keine Äpfel oder Birnen mehr.“
Welche große volkswirtschaftliche Bedeutung die Honigbiene hat, haben Agrarökonomen der Universität Hohenheim im vergangenen Jahr errechnet. Die Wertschöpfung durch die Bestäubungsarbeit beträgt danach schätzungsweise 1,6 Milliarden Euro pro Jahr – und ist damit 13-mal höher als die der Honig- und Bienenwachsproduktion. Ohne die Bestäubung wären die Erlöse im Anbau im Schnitt um 41 Prozent geringer.
„Bienen sind also absolut systemrelevant“, so Bonowsky. Man müsse sich intensiv um sie kümmern. Das täten die Imker, indem sie die Hygiene verbesserten und sich fürsorglich mit den Bienen auseinandersetzten. „Wenn es weniger Imker gibt, gibt es auch weniger Honigbienen.“ Die Stadtimkerei sei ein wichtiger Beitrag, das zu ändern.